Bibliothek der Ökologie

Rezension

Scheelhaase, Tanja: Zukunft verbrennen? Von der Abfallverbrennung hin zur Wertstoffschöpfung nach Cradle to Cradle / Semisch, Christoph; Braungart, Michael (Hrsg.); Rez.; Hamburg: EPEA Internationale Umweltforschung, 2008. - 132 S + Anhang; Standort/Signatur: ÖI: B10.882

Christian Pladerer schreibt:

Michael Braungart als Herausgeber formuliert es trefflich, in dem er im Vorwort schreibt: Wir ForscherInnen werden nicht für Lösungen sondern für Probleme bezahlt. Solange Probleme unklar sind, gibt es Geld für Forschung. Ein Problem ist jedoch klar: Die Entscheidung für industrielle Mitverbrennung von Abfällen in thermischen Kraftwerken (sog. Ersatzbrennstoffanlagen) ist eine Weichenstellung, die uns 20 entscheidende Jahre für innovative Produktentwicklung kosten wird und die möglicherweise fatalerweise weltweit stilbildend sein könnte. Die vorliegende Publikation von Tanja Scheelhaase und Christoph Semisch gibt einen Überblick über den aktuellen Stand zu Planung und Bau thermischer Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland. Zusätzlich zu den bestehenden 66 Müllverbrennungsanlagen sollen über 65 Ersatzbrennstoffkraftwerke (EBS) gebaut werden. Damit würde eine Gesamtkapazität von 30 Mio. t für die Verbrennung von Abfällen aus Haushalten und Gewerbe, EBS sowie für industrielle Reststoffe entstehen. Solche Kapazitäten sind nur mit massiven Abfallimporten von heizwertreichen Fraktionen möglich und es entsteht eine Konkurrenz zur stofflichen Verwertung, da 80 % des Heizwertes auf den recycelbaren Materialien Papier und Kunststoff basieren. In der Studie wird dargelegt, dass Überkapazitäten auf dem Verbrennungssektor zu massiven Änderungen der Stoffströme führen und damit die Kreislaufführung von wichtigen Materialien als Sekundärrohstoff verhindert wird. Gleichzeitig werden auch Alternativen aufgezeigt, wie ein echtes Stoffstrom-Management Kreisläufe schließen kann. Die Studie versucht Müllverbrennungsanlagen und Ersatzbrennstoffkraftwerke in einen gesamten Energiekontext zu setzen, die Energieerzeugung in Deutschland insgesamt zu betrachten und darzustellen. Wie die Untersuchung zeigt, gibt es noch immer Mängel in der Datenqualität: Eine Bestandsaufnahme ist in einigen Bereichen nur unvollständig möglich. Dennoch ist klar: Ersatzbrennstoffanlagen in der vorgesehenen Weise und in dem jetzigen Umfang sind eine Sackgasse, ähnlich wie Biodiesel aus Palmöl. Die vorliegende Studie soll jedoch Mut machen, Gestaltungswillen zu entwickeln und Stoffkreisläufe zu schließen. So wird nicht nur das Energieproblem lösbar, sondern vor allem auch der drohende Rohstoffmangel. Im Kapitel 9 Was wäre wenn? Zukunftsperspektiven Erneuern oder Verbrennen sind einige sehr gute Ideen aufgezählt. Die Zeit der Konzepte ist vorbei - Umsetzen ist angesagt - die nächste Industrielle Revolution, kommend von der der Abfallverbrennung hin zur Wertstoffschöpfung nach dem Cradle to Cradle Design Konzept. Der Weg von der Abfallwirtschaft zum Ressourcenmanagement, indem wir die Ressourcen unserer Abfälle wertschätzen und nutzen als biologische und technische Nährstoffe. In einem eigenen Kapitel wird auch das, von Braungart entwickelte, Cradle to Cradle-Konzept (von der Wiege zur Wiege) vorgestellt, eine grundlegend neue Herangehensweise zur Herstellung ökologisch intelligenter Produkte, die zu einer umfassenden Produktqualität führt und eine nahezu 100prozentige Rückgewinnung aller Inhaltsstoffe ermöglicht - anstatt diese als Abfall zu deponieren, zu verbrennen oder geringwertiger zu recyceln. Produkte und Materialien können als "technische" oder biologische Nährstoffe in Kreisläufen zirkulieren und nahezu unbegrenzt wiederverwendet werden - ein enormer ökonomischer Vorteil mit gleichzeitig positiven Effekten für Umwelt und Gesundheit. In den USA wird das Cradle to Cradle-Konzept bereits angewendet und in Europa sind die Niederlande auf dem Weg, zum ersten Cradle to Cradle-Land zu werden. In Deutschland gibt es immer mehr Aktivitäten. Selbst Taiwan oder China machen erste Schritte auf diesem Weg zur Öko-Effektivität. (Christian Pladerer)