Vom Leben der alten Häuser
Dokumentationsprojekt in Waidhofen an der Ybbs
Der baukulturelle Wert eines so stimmigen und einheitlichen Gebäudebestandes wie in Waidhofen an der Ybbs ist nicht hoch genug einzuschätzen. Das Stadtzentrum hat einen gebauten Kern, der vor über 800 Jahren angelegt wurde und dessen Plätze, Straßenzüge und Gebäudeensembles trotz dreier schwerer Stadtbrände mit einem relativ intakten mittelalterlichen Stadtbild erfreuen. Die Qualität von Gebäuden im Zusammenspiel mit der Gestaltung des öffentlichen Raums spiegelt die Geschichte, unser kulturelles Erbe, und wirkt sich maßgeblich auf unser psychisches und physisches Wohlbefinden aus, auch wenn wir uns dessen kaum bewusst sind. Im Gegenteil, unserer gebauten Umwelt wird für gewöhnlich nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt, entsprechend sorglos wird mit ihr umgegangen. Mangelnde Wertschätzung, Vernachlässigung, Abriss und Ersatzneubau sind seit Jahrzehnten eingespielte Prozesse. Da die Strukturen in Politik, Verwaltung, Planung und Umsetzung, Raumordnung, Widmungs- und Ortsentwicklungsplanung, Bauvorschriften und selbst Förderungen ganz stark auf den Neubau ausgerichtet sind und der Bestand oft ignoriert und ausgeblendet wird, erscheint vielen der Neubau auch ökonomisch als die vermeintlich günstigere und einfachere Lösung.
Neben mangelnder Pflege und Wartung stellen aber auch Leerstand und Teilleerstand eine Gefahr für die gebaute Umwelt dar und können eine Negativspirale in Gang setzen, die nur mehr sehr schwer aufzuhalten ist.
Selbst gut genutzte und regelmäßig gewartete Gebäude können das Stadtbild und die Atmosphäre insgesamt gefährden, wenn bei Auf-, Zu- und Umbauten sowie bei der Fassadengestaltung, insbesondere bei Geschäftsportalen, nicht auf eine qualitätsvolle Gestaltung geachtet wird.
Das Bewusstsein für die baukulturelle und stadträumliche Bedeutung von Gebäuden, insbesondere in historischen Stadtzentren, muss ebenso regelmäßig gepflegt und gewartet werden wie der Gebäudebestand an sich. Zu dem häufig geäußerten Wunsch nach einer "lebendigen Innenstadt" gehört auch, dass die Häuser selbst genutzt und mit Leben gefüllt werden.
Hier setzte das Projekt Vom Leben der alten Häuser an. "Den Wert alter Bausubstanzen aber auch Potenziale von Sanierung und Revitalisierung aufzuzeigen, waren Ziele dieses Projektes.
Menschen mit Bezug zu Gebäuden im Stadtzentrum wurden zum Mitwirken an einem Projekt eingeladen, in dem es zentral um die Geschichten der Häuser und der Bewohner:innen / ging, die diese Häuser maßgeblich geprägt haben.
In Gesprächen mit 16 Hauseigentümer:innen, Bewohner:innen und Erb:innen von insgesamt 10 Objekten im Zentrum von Waidhofen von der Ybbs, wurden Geschichten und Fotos gesammelt und Erinnerungen dokumentiert, die jeweils ihre Beziehung zur Stadt und zu konkreten Häusern beschreiben.
Eine Auswahl dieser Stimmen und des Bildmaterials wurde für eine Ausstellung zusammengestellt, die vom 23.09. - 30.09.2023 im ehemaligen Gasthaus Kropf am Oberen Stadtplatz 25 zu sehen war.
Gezeigt wurde ein Einblick in das Leben, Wohnen und Arbeiten früher und heute. Die Vielfalt an Lebensrealitäten und der Stellenwert sozialer Verflechtungen und Gemeinschaft sollte ebenso sichtbar gemacht werden, wie die Vielfalt an Nutzungsmöglichkeiten der Gebäude und ihre Anpassungsfähigkeit im Laufe ihres schon viele hundert Jahre langen Bestehens. Auch die spezifischen Merkmale der Stadt und die nicht immer positiv wahrgenommenen Veränderungen des öffentlichen Raums und des Stadtbilds über die letzten Jahrzehnte kamen zur Sprache. Es sollte zum Nachdenken anregen und das Bewusstsein für den Wert und die Möglichkeiten des gebauten Bestands geschärft werden.
Begleitend zur Ausstellung öffneten Installationen im öffentlichen Raum ein Zeitfenster in die Vergangenheit: Drei großformatige Schautafeln mit ca. 100 Jahre alten Postkartensujets vom Oberen und Unteren Stadtplatz wurden an der Stelle des jetzigen Blicks aufgestellt. Darüber hinaus wurde an acht Projekthäusern eine Soundinstallation angebracht, die einen akustischen Einblick in die Geschichte des Hauses gab und den Raum vor dem Haus mit subtilen Eingriffen bespielte.
Kontakt
Gefördert von
- Bundesministerium für Kunst, Kultur öffentlicher Dienst und Sport (BMKOES)
- Land Niederösterreich, Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Kunst und Kultur
- Land Niederösterreich, Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Wissenschaft und Forschung
- Stadtgemeinde Waidhofen/Ybbs
PartnerInnen
- Susi Jirkuff
Infos
- Bilddokumentation Vom Leben der alten Häuser (pdf-Datei, 5 MB)
- Textdokumentation Vom Leben der alten Häuser (pdf-Datei, 457 KB)
- Häusertafel Vom Leben der alten Häuser (pdf-Datei, 2 MB)
- Danksagung (pdf-Datei, 138 KB)