Presse-Aussendung vom 07.01.2003

Nachhaltigkeit umsetzen - jetzt !

Weichenstellungen für Nachhaltigkeitspolitik in Österreich. Informationen zum Jahrespressegespräch 2002

ING. ANTONIA WENISCH, GESCHÄFTSFÜHRERIN DES ÖKOLOGIE-INSTITUTS

Nachhaltigkeit ist Chefsache!
Eine der größten Errungenschaft der letzten Regierung ist die österreichische Strategie zur Nachhaltigen Entwicklung. Ein ambitioniertes Papier, in dem die guten Absichten der Bundesregierung für eine Nachhaltige Entwicklung beschrieben sind. Was allerdings zu kurz kommt, sind konkrete Vorstellungen zur Umsetzung. Nach wie vor werden Maßnahmenvorschläge einzelnen Handlungsfeldern zugeordnet. Eine Vernetzung dieser Politiken ist abseits von Absichtserklärungen nicht erkennbar.
Gerade jetzt - im Zuge der neuen Regierungsbildung, sind die Chancen gut, Weichen für die Umsetzung einer Nachhaltige Entwicklung zu stellen. Damit die Nachhaltigkeits-Dimensionen Soziales, Wirtschaft und Umwelt in die Politik Eingang finden, braucht man eine übergeordnete Verankerung. Nachhaltige Entwicklung ist ein Veränderungsprozess der Gesellschaft, für den die Bundesregierung die Rahmenbedingungen schaffen muss. Das Österreichische Ökologie-Institut fordert:
- Im Zuge einer bevorstehenden Verfassungsreform sollte Nachhaltige Entwicklung den Grundrechten hinzugefügt und ihre Leitlinien als Zielparagrafen der Verfassung formuliert werden. Ohne diese Verankerung als Staatsziel ist eine langfristige Strategie nicht durchsetzbar und fällt leicht den kurzfristigen Prioritäten der jeweiligen Regierung zum Opfer.
- Nachhaltigkeit ist Chefsache: Ein Staatssekretariat für Nachhaltige Entwicklung im Bereich des Bundeskanzleramtes soll eingerichtet werden, das Ressort übergreifend Nachhaltige Entwicklung auf allen Ebenen einfordert. Diese Stelle soll alle politischen Aktivitäten (Programme, Gesetzgebung etc.) auf ihren Beitrag zur Nachhaltigen Entwicklung überprüfen. Das heißt, dass jedes Gesetz auf Auswirkungen auf die Umwelt, die Gesellschaft und die Wirtschaft gleichberechtigt bewertet werden soll. Folgewirkungen auf soziale Schichten, Gender, Regionen, Beschäftigung, Innovationen und Wirtschaftschancen müssen dabei berücksichtigt werden.

Eine große Gefahr liegt in der Suche nach "win-win-win Situationen", wo die Interessen dreier Seiten zu berücksichtigen sind: Entweder setzen sich jene Interessen mit der mächtigsten Lobby durch (wobei die Umwelt dabei oft unter die Räder kommt). Oder der Wunsch nach "win-win-win Situationen", die für jede einzelne Maßnahmen aufgehen sollen, kann zur totalen Blockade führen. Nachhaltigkeit auf höchster Bundesebene als Kompetenzbestandteil schafft Ausgleich zwischen konkurrierenden Politiken.

ROBERT LECHNER, INSTITUTSLEITUNG, BEREICHSLEITER PLANUNG

Nationale Forschungsstrategie:
Eine wichtige Aufgabe des neuen Staatssekretariats für Nachhaltige Entwicklung ist die Ausarbeitung einer Nationalen Forschungsstrategie unter dem Fokus der Nachhaltigkeit. Bislang ist die Forschungskompetenz aufgeteilt auf mehrere Ministerien. Programme werden "parallel" und ohne inhaltliche Abstimmung abgewickelt. In Zukunft kann es nicht darum gehen, dass z.B. das Wissenschaftsministerium "seiner" Definition von Nachhaltigkeit nachgeht und das Innovationsministerium wiederum eine andere Interpretation liefert. Den Zielsetzungen der Nachhaltigkeit haben alle Forschungsprogramme und staatlichen Institutionen zu entsprechen: Von A wie Aerospace bis Z wie die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik. Ein offener Forschungsdialog soll im nächsten Jahr die Schwerpunkte herausarbeiten. Die konkrete Umsetzung dieser Forschungsstrategie soll jene Beiträge benennen, die von bestehenden und neu hinzukommenden Forschungsprogrammen abverlangt werden. Auch hier ist die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und natürlich auch wirtschaftlichen Akteuren entscheidend: Der Bund kann sich auf die Grundlagenforschung konzentrieren, durch die Zusammenarbeit mit den Ländern und Gemeinden die Ergebnisse für diese nutzbar machen und nicht zuletzt auch mit Wirtschaftsakteuren in Form der innovativen Produktentwicklung zur Umsetzung bringen. Der Bogen ist hier weit zu spannen: Demokratie, Umwelt, Soziales, Wirtschaft und Technologie.

CHRISTIAN PLADERER, INSTITUTSLEITUNG, BEREICHSLEITER RESSOURCEN

Öffentliche Beschaffungswesen - Meilenstein in der Umsetzung:
Die von der letzten Bundesregierung beschlossene Nachhaltigkeitsstrategie bietet wichtige Ansätze für eine ökologische Produktpolitik, jedoch sind viele Punkte wenig konkret und unverbindlich. Im Bereich einer ökologischen Beschaffungspolitik kann die zukünftige Regierung neue Maßstäbe setzen und das Ziel einer »Sustainability Leadership« in Angriff nehmen. Jahrzehnte lang wurde bei öffentlichen Ausschreibungen das Bestbieterprinzip mit dem Billigstbieterprinzip gleichgesetzt. Seit einigen Jahren gibt es Initiativen für eine ökologische und sozial verträgliche öffentliche Beschaffung. Das öffentliche Beschaffungswesen der EU macht einen Anteil von bis zu 25 % des Bruttoinlandsproduktes aus. In Österreich sind dies rund 35 Mrd. Euro, die jährlich investiert werden.
Um dieses Marktpotenzial nutzen zu können, bedarf es einer Nachhaltigen Beschaffungspolitik. Dadurch werden Produktinnovationen aus ihrem Nischendasein herausgeführt. In einigen Verwaltungen von Städten, Gemeinden, Bundesländern und Ministerien arbeiten bereits jetzt engagierte MitarbeiterInnen an der umweltfreundlichen Gestaltung des Beschaffungswesens. Ein Problem stellt die mangelnde Koordination der einzelnen Beschaffungsabteilungen dar. In diesem Bereich ist eine Ressort übergreifende Produktpolitik notwendig.

Initiative: Check it
Der erste Schritt ist durch die Schaffung einer bundesweit tätigen Serviceeinrichtung inklusive Informationshotline bereits getan. Das Beschaffungs-Service Austria gibt rechtliche Auskünfte und Informationen ökologischer Büromaterialien, Büroeinrichtung, elektrische Büro- und Haushaltsgeräte, Wasch- und Reinigungsmittel. Im Zuge des EU-LIFE Programms wurde unter der Mitarbeit des Österreichischen Ökologie-Instituts der Kriterienkatalog Check it erarbeitet.

Initiative: ÖkoKauf Wien
Ziel von »ÖkoKauf Wien« ist die Ökologisierung der öffentlichen Beschaffung der Stadt Wien. »Öko-Kauf Wien« ist ein Kriterienkatalog, in dem für alle beschaffenden Dienststellen Empfehlungen bei der Planung und Ausschreibung von Leistungen formuliert sind. Immerhin kauft die Gemeinde Wien jährlich Produkte und Dienstleistungen in einem Umfang von ca. 5,5 Milliarden Euro ein.

Bundesvergabegesetz neu
Das am 1.9.2002 beschlossene Bundesvergabegesetz basiert auf den EU-Vergaberichtlinien und ist als positiver Schritt anzusehen. Es sieht vor, dass bei allen öffentlichen Ausschreibungen ökologische Aspekte berücksichtigt werden können.

Der Bund als Vorreiter: Bauwesen
Der Bund und seine Institutionen stellen österreichweit den größten Immobilienbesitzer und Nutzer dar. Über Wohnbauförderung und Infrastrukturmittel ist der Bund zudem in nahezu alle Bauvorhaben Österreichs involviert. In den nächsten Jahren soll der Bundes-Gebäudebestand auf Niedrigenergiestandard (unter 50 Kilowattstunden Heizwärmebedarf pro Quadratmeter Nutzfläche und Jahr) gebracht werden. Für den Neubau soll ab jetzt grundsätzlich nur mehr der Passivhausstandard gelten: Heizwärmebedarf von unter 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter Nutzfläche und Jahr. Mit diesem Ökobauprogramm kann ein wesentlicher Innovationsschub für die österreichische Bauwirtschaft geleistet werden. Davon profitieren die österreichische Bauwirtschaft und damit die Bauarbeiter ebenso wie die Umwelt. Der Bundes-Baubereich kann so relativ einfach im Gleichklang zwischen Wirtschaft, Sozialem und Umwelt agieren. Niedrigenergiestandard ist heute ohne Mehrkosten möglich, bei Passivhäusern bewegt man sich bei einem Mehraufwand von 5 bis 10 Prozent. Es ist davon auszugehen, dass mit gesteigerten Stückzahlen die Mehraufwendungen für Passivhaustechnologien in wenigen Jahren an heutige Standardpreise anpassen werden.