Presse-Aussendung vom 11.06.2001

Handy-Recycling

Es ist höchste Zeit für strengere gesetzliche Vorgaben

Pressekonferenz 11. 06. 2001 in Wien

Bislang haben nur die Handymasten die Gemüter der Umweltschützer erhitzt. Doch langsam wird offensichtlich, dass auch die Herstellung, Verwendung und Entsorgung von Mobiltelefonen der Umwelt schwer zu schaffen macht: Die Produktion ist überaus ressourcenintensiv, der tägliche Einsatz benötigt große Mengen an Strom und viele Fragen der Entsorgung sind ungeklärt. Die durchschnittliche Nutzungsdauer liegt bei nicht einmal einem Jahr, obwohl die meisten Modelle drei Jahre lang halten würden. Die Folge sind österreichweit vier Millionen Althandys, die nicht mehr verwendet werden und Umweltschützern große Sorgen bereiten. Es ist kaum absehbar, wie lange unliebsam gewordene Geräte noch in den Haushalten aufbewahrt werden. Die erste Welle an Altgeräten droht demnächst im Restmüll zu landen. Dazu die Wiener Umweltanwältin, DR. KARIN BÜCHL-KRAMMERSTÄTTER: "Althandys haben im Restmüll nichts verloren! Denn so landen sie letztendlich auf einer Deponie oder Müllverbrennungsanlage, von wo aus die enthaltenen Schadstoffe nach und nach in die Umwelt gelangen können. Außerdem können die in den Altgeräten enthaltenen Wertstoffe dann nicht mehr zurückgewonnen werden und gehen so verloren."

Das Problem bei Althandys sind in erster Linie die Akkus: Bei vier Millionen Altgeräten sind das 300 bis 400 Tonnen! Die meisten Modelle früher Handy-Generationen enthalten gefährliche Nickel-Cadmium-Akkus. "Wie gefährlich diese Stoffe sind, lässt sich leicht daran messen, dass sogar die EU ein Verbot der weit verbreiteten Nickel-Cadmium-Akkus ins Auge gefasst hat.", warnt Professor PETER LECHNER von der Abteilung Abfallwirtschaft der BOKU. In Japan ist Cadmium bereits seit längerem als Auslöser der Itai-Itai-Krankheit bekannt. Dort hat das Abwasser von Cadmium-Zink-Minen bei vielen Menschen zu Erkrankungen geführt. Europaweit werden immer noch 340 Millionen Nickel-Cadmium-Akkus jährlich verkauft, das sind 13.000 Tonnen Akkus bzw. 2.200 Tonnen Cadmium. Ein vollständiges Recycling wird von der EU als unrealistisch erachtet, daher ist ein Verbot unumgänglich (Entwurf einer Richtlinie zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in elektrischen und elektronischen Geräten).

In Österreich gelten Akkus als Problemstoffe, das ist die Bezeichnung für gefährliche Abfälle aus Haushalten. Eine Entsorgung über den Restmüll ist verboten, vielmehr sind Handy-Akkus beim einschlägigen Handel (amtsdeutsch: "Rücknahmeverpflichtung der Inverkehrbringer") zurückzugeben. Noch besser ist es, gleich das gesamte Handy bei den Verkaufsstellen, den sogenannten Outlets zurückgeben. Das Althandy selbst enthält als Elektronikaltgerät wertvolle Rohstoffe, die verwertet werden können.

Das Ziel sollte ein flächendeckendes Sammelsystem für Althandys sein. PROFESSOR GERHARD VOGEL vom Institut für Technologie und Warenwirtschaftslehre der WU Wien kennt positive Beispiele: "Einzelne europäischen Länder beweisen, dass es möglich ist, bis zu 95 Prozent der kleinen Umweltbomben zurück zu erhalten und entsprechend zu verwerten". Erfolgreiche Sammelsysteme gibt es in der Schweiz, Norwegen und den Niederlanden. In diesen Ländern stehen in Elektrofachgeschäften Recyclingboxen bereit, in denen man sich der Althandys samt Zubehör entledigen kann. Finanziert wird die Sammlung über einen Entsorgungsbeitrag, der beim Geräteneukauf als Teil des Produktpreises eingehoben wird. In Österreich ist man noch nicht so weit. Elektroaltgeräte werden in einigen Bundesländern (Wien, Salzburg, Steiermark, Vorarlberg) lediglich auf der Basis freiwilliger Vereinbarungen gesammelt.

Die EU setzt sich gerade mit der "Elektro- und Elektronikaltgeräte-Richtlinie" auseinander. 15 Jahre nachdem ihre Notwendigkeit grundsätzlich beschlossen wurde, wird frühestens 2005 ein kostenloses Sammel- und Recyclingsystem für Elektronikschrott eingeführt. Ob es tatsächlich so schnell geht, hängt von Beschlüssen des Parlaments und des Ministerrates ab, die hinsichtlich der Herstellerverantwortung und der Finanzierung von Sammlung und Recycling uneinig sind. MAG. HENRIETTE GUPFINGER vom Österreichischen Ökologie-Institut warnt: "Bis 2005 zu warten, hätte fatale Umweltfolgen für Österreich! Vor allem für die zahlreichen Geräte mit sehr kurzer Lebensdauer sollte umgehend ein bundesweites Sammelsystem aufgebaut werden."

Sogar die Hersteller von Handys setzen sich schon mit dem Problem auseinander. In Schweden haben Motorola, Ericsson, Nokia, Alcatel, Philips und Panasonic gemeinsam die Initiative ergriffen und in ersten Pilotprojekten die Rücknahme alter Handys organisiert. In Deutschland ist eine ähnliche Initiative in Vorbereitung. Sowohl von der Wirtschaft getragene vorfinanzierte Sammelsysteme, als auch von öffentlicher Seite unterstützte Modelle werden in unterschiedlichen europäischen Ländern bereits mit Erfolg praktiziert. Auch Österreich sollte diesen Beispielen folgen und ein flächendeckendes Sammel- und Verwertungssystem von Handys so rasch wie möglich einführen.