Presse-Aussendung vom 19.12.2000

UMWELT IN DER INFORMATIONSGESELLSCHAFT

Hintergrundinformationen zum Jahrespressegepräch des Ökologie-Instituts

Chancen für die Bürgerbewegung
Die neuen Medien eröffnen den Nichtregierungsorganisationen auch neue Möglichkeiten der Informati-onsbeschaffung: Internationale Organisationen (EU-Kommission, UNO, Weltbank, OECD) bieten über das Internet Zugang zu einer Vielzahl politischer Dokumente (Gesetzesvorlagen, Berichte, Studien, Pro-gramme) und erlauben teilweise die Abgabe von Stellungnahmen. Für NGOs wird dadurch die Zusammenarbeit erleichtert und rasches Reagieren vereinfacht. Auch dort, wo die Beteiligung von NGOs gar nicht erwünscht ist, kann das Internet die internationale Mobilisierung von Protesten gegen Umweltzerstörung und Sozialabbau unterstützen. Bei all den Annehmlichkeiten, die das Informationszeitalter bringt, bleibt laut WENISCH ein Problem jedoch weiter bestehen: "Ohne Übertreibung und Panikmache lässt sich kaum ein Umweltproblem ins Bewusstsein der Leute bringen."
Antonia Wenisch, Geschäftsführerin des Ökologie-Instituts

Der Ressourcenbedarf der Informationsgesellschaft
Die Annahme, dass der verstärkte Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien zu einer ökologischen Modernisierung unserer Gesellschaft führt, hat sich bislang als falsch erwiesen. Im Ge-genteil: Durch den steigenden Absatz von Geräten wie Computern oder Handys ist in den nächsten Jahren mit zunehmenden Materialströmen und Abfallmengen zu rechnen. "Diese Wachstumsdynamik ist das ökologische Kernproblem", meint Petra OSWALD, Mitarbeiterin im Bereich Wirtschaft und Ressour-cenmanagement des Ökologie-Instituts. "Materialeinsparungen durch kleinere und leichtere Geräte wurden in den vergangenen Jahren durch steigende Verkaufszahlen überkompensiert." Laut Informatio-nen des heimischen Netzbetreibers max.mobil sind in Österreich derzeit mehr als zehn Millionen Handys im Umlauf - Tendenz steigend. Und selbst die auf den ersten Blick "immaterielle" Online-Zeitung kann einem ökologischen Vergleich mit der guten alten Tageszeitung aus Papier nicht standhalten. Eine deutsche Studie kommt zu dem Schluss, dass der Energiebedarf für die Bereitstellung der Online-Zeitung in etwa zehn mal so hoch ist wie jener der Printzeitung.
Petra Oswald

Umweltverträglichkeitsprüfungen als Bazar
Das Vertrauen in die Bürgerbeteiligung im Rahmen von Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) schwindet, sowohl bei der Wirtschaft als auch bei den Bürgerinitiativen. Als Grund gibt Robert LECHNER, Leiter des Arbeitsbereichs Planung des Ökologie-Instituts, falsch interpretierte Aus-gangsbedingungen an: "In vielen Fällen wird vorgegaukelt, dass mit einer UVP ein Vorhaben zur Gänze verhindert werden kann. Doch eigentlich geht es bei UVPs um die Verringerung umwelt-schädlicher Auswirkungen." Die logische Folge sind sinnlos in die Länge gezogene Verfahren, die letztendlich von beispielloser Entscheidungsangst geprägt sind. Am Ende weiß man genauso viel wie zu Beginn: dass es Befürworter und Gegner gibt. Dieser Umstand spielt insbesondere bei den "großen" Vorhaben wie im Straßenbau, dem Bahnausbau und möglicherweise auch Anlagen wie dem AKW Temelin eine nicht unwesentliche Rolle: "Durch eine UVP können keine umweltpolitischen Grundsatzentscheidungen ersetzt werden. Diese müssen weit höher, etwa im Rahmen der Programm- oder Konzepterstellung unter Einbeziehung der Bevölkerung erfolgen." Für UVPs empfiehlt sich dann eher folgende Vorgehensweise: "Handeln wie am Bazar in Istanbul."
Robert Lechner

Foto: Michael Rausch-Schott