Kulturelle Nachhaltigkeit: Konzepte, Perspektiven, Positionen / Krainer, Larissa (Hrsg.); Trattnigg, Rita (Hrsg.); Rez.; München: Oekom, 2007. - 440 S. - ISBN 978-3-86581-080-9; Standort/Signatur: ÖI: C16.641
Christian Pladerer schreibt:
Fortschreitender Klimawandel und Ressourcenverknappung führten und führen dazu, dass immer mehr PolitikerInnen das Wort Nachhaltigkeit in den Mund nehmen, ohne tatsächlich zu wissen, was es bedeutet. Nachhaltigkeit ist IN geworden. Nachhaltige Entwicklung" ist längst nicht mehr eine Möglichkeit von vielen, sondern sie ist eine existentielle Frage, die jeden Menschen auf dieser Erde betrifft und betreffen wird. Aber warum hat das Konzept der "Nachhaltigkeit" bisher noch wenig Früchte getragen. Vielleicht ist Nachhaltigkeit auch eine Frage der Kultur? Larissa Krainer, Kommmunikationswissenschaftlerin, Philosophin und Institutsleiterin für Interventionsforschung und Kulturelle Nachhaltigkeit an der Universität Klagenfurt und die Politologin Rita Trattnigg vom österreichischen Umweltministerium sind diese Frage nachgegangen. Nachhaltige Entwicklung bedeutet nicht nur ein globales Miteinander unter gleichzeitiger und gleichberechtigter Berücksichtigung der drei Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales, sondern umfasst auch die Kultur als quer liegende Dimension. Die Autorinnen entwerfen deshalb ein Konzept der sogenannten "Kulturellen Nachhaltigkeit", das ein neues Verständnis von Nachhaltigkeit entwickelt. Sie kommen zum Ergebnis, dass aus philosophischer Perspektive nur das "kulturelle Nachhaltigkeitskonzept" dazu führen kann, dass die nachhaltige Entwicklung realisiert werden kann. Wir müssen unsere Art zu leben und zu wirtschaften - unsere ökonomisch-technische Kultur - ändern, so die Autorinnen. Die theoretische Grundlegungen zur kulturellen Nachhaltigkeit und was die Philosophie zur nachhaltigen Entwicklung beitragen kann zeigt uns Peter Heintel. Er beschreibt die unterschiedlichen grundlegenden philosophischen Ansätze. Den Schwerpunkt der Lektüre bilden Ausführungen über "Interdisziplinäre Anknüpfungspunkte und Konkretisierungen von Nachhaltigkeit". Sie zeigen, wie die Umsetzung nachhaltiger Ideen organisiert werden kann und welche Konsequenzen sich daraus für Praxisfelder wie Politik, Wirtschaft, Bildung, Wissenschaft oder Medien ergeben. Ines Oehme hat den Stand der aktuellen Nachhaltigkeitsdiskussion zusammengefasst und bietet einen Übersicht zur Konzeptualisierung. Sie spricht sich dafür aus den Fokus auf die Mensch/Gesellschaft-Natur-Verhältnisse nicht zu verengen und auch das Konzept nicht mit sozial- und wirtschaftspolitischen Anliegen zu überfrachten. Sie bekennt sich dazu, dass gesellschaftliche Entwicklungen und Lebensqualität nur innerhalb der Leitplanken möglich ist, in welchen Natur als Lebensgrundlage nicht gefährdet wird. Renate Hübner beschreibt die Dimensionen einer "materiellen Kultur" und ortet die Entstehung einer "Kultur des Materiellen". Welche Bedeutung haben materielle Güter für unsere Gesellschaft? Eine interessante Fragestellung, die sie sehr spannend beantwortet. Hier wird meiner Meinung nach das Herzstück der Nachhaltigen Entwicklung getroffen, die immaterielle Bedürfnisbefriedigung, die tatsächlich Freiräume zur Nachhaltigen Entwicklung schafft. Rita Trattnigg geht in ihrem Beitrag der Frage nach, wie die Beziehung zwischen Politik und nachhaltiger Entwicklung zukunftsfähig gestaltet werden kann. Wie können Politik und Nachhaltige Entwicklung sich gegenseitig fördern und unterstützen. Sie ist der Meinung, dass Politik durch den verstärken Einsatz für eine nachhaltige Entwicklung sich das Podium, Zukunft bewusst zu gestalten, verschaffen kann. Das politische Kurzzeitdenken in Legislaturperioden muss endlich eine Ende haben. Dieser sehr gelungene Sammelband einer interdisziplinären AutorInnengruppe ist eine geeignete Literatur für die Fachwelt, die sich mit der Nachhaltigen Entwicklung auseinander setzt. Beim Lesen der Lektüre wurde mir wieder einmal bewusst, dass die Zeit der Reden vorbei ist und nun die Taten folgen müssen. In diesem Sinne und in der Erkenntnis, dass wir das Ziel noch lange nicht erreicht zu haben, werden die Arbeiten des Österreichischen Ökologie-Instituts auch in Zukunft vom Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung geprägt sein und ab nun unter verstärkter Berücksichtigung der kulturellen Dimension. (Christian Pladerer)